Manuel Puig: “Der Kuss der Spinnenfrau”.

Zwei Häftlinge, Zellengenossen, haben einen Zeitvertreib für die langweiligen Abende gefunden: Molina, der wegen Päderastie zu acht Jahren Gefängnis verurteilt ist, erzählt dem aufgrund linksextremer Aktivitäten inhaftierten Valentín Arregui in aller Ausführlichkeit alte Hollywood- und Ufafilme.
Als Arregui medikamentös verdorbenes Essen erhält, das seinen physischen und moralischen Widerstand brechen soll, pflegt ihn Molina.
Mit zunehmender körperlicher Schwäche verringert sich Valentíns Unvermögen, Dienste anzunehmen, die eigene Abhängigkeit anzuerkennen, Angst zu verraten, dankbar zu sein. Er begreift, dass Molina ihn liebt, und gibt dieser Liebe Antwort.
Puig hat sich in diesem fast nur in direkter Rede geschriebenen Roman zwei Themen gestellt. Er schildert Terror und Willkür der Polizei (der Roman war in Argentinien verboten und führte zu Puigs Ausweisung) und gibt eine durch ausführliche wissenschaftliche Fußnoten unterstützte konkrete Darstellung homosexueller Liebe. Ohne den “klassischen” Helden, den Revolutionär, zu schmälern, macht Puig deutlich, dass er eine zweite, menschlichere Art des Heldentums schätzt, ein nicht der abstrakten Idee, sondern dem konkreten Mitmenschen geltendes äußerstes Opfer.                                                                          Manuel Puig wurde 1932 in der argentinischen Provinzstadt General Villegas geboren. Schon früh zeigte sich seine Begeisterung für das Kino und die Vorliebe für Melodramen des Hollywoodfilms der dreißiger und vierziger Jahre. Er studierte auf Drängen der Eltern zunächst Architektur in Buenos Aires, wechselte aber bald in die Fakultät für Philosophie und Literatur.
1956 reiste er mit einem Stipendium des »Centro Sperimentale di Cinematografia«, der bedeutendsten italienischen Filmhochschule, nach Rom, wo er bei Vittorio De Sica und Cesare Zavattini lernte und Drehbücher zu schreiben begann. Zwischen 1961 und 1962 arbeitete er als Regieassistent bei verschiedenen Projekten in Rom und Buenos Aires mit.
Nach Aufenthalten in London und Stockholm zog er 1963 vorübergehend nach New York, wo er seinen ersten Roman, “La traición de Rita Hayworth” (1968, dt. “Von Rita Hayworth verraten”, 1976), schrieb. Der Fortsetzungsroman “Boquitas pintadas” (1969, dt. “Der schönste Tango der Welt”, 1975) entwickelte sich bald zum Bestseller. Mit seinen anfänglich als Kitschliteratur verschrienen Romanen durchbrach er die Grenzen zwischen sogenannter »hoher« und »niederer« Literatur.
Weltweiten Ruhm erlangte Manuel Puig mit der Verfilmung seines Romans “El beso de la mujer araña” (1976, dt. “Der Kuß der Spinnenfrau”, 1979) durch den Regisseur Héctor Babenco, 1985. Eine Bearbeitung für die Bühne hatte Puig bereits 1981 vorgenommen. Von der argentinischen Militärregierung wurde das Buch verboten, woraufhin Puig seine Heimat endgültig verließ.
Er zog nach Mexiko, lebte einige Jahre in New York und Rio de Janeiro, wo er den Roman “Sangue de amor correspondido” (1982, dt. “Herzblut erwiderter Liebe”, 2000) auf Portugiesisch schrieb, und kehrte ein Jahr vor seinem frühen Tod im Jahre 1990 nach Mexiko zurück.

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