In dem 1934 zuerst in englischer Übersetzung erschienenen Roman erzählt Leo Lania anhand verschiedener Schicksale eine Geschichte der Zwischenkriegszeit und der Weimarer Republik.
Dreh- und Angelpunkt sind die Lebenswege Kurt Rosenbergs und Esther Mendels, die sich als Jugendliche erstmals in der besetzten Ukraine begegnen. Während der Erste Weltkrieg Rosenberg als Vizefeldwebel nach Borutsch führt, wächst Esther dort als Tochter eines armen Schneiders auf. Mit ihren Eltern flieht sie vor den Pogromen nach Berlin, wo Rosenberg in sicheren Verhältnissen lebt. In Berlin erleben sie die Zeit der Inflation, die Ermordung Rathenaus und die wirtschaftliche Stabilisierung in den “goldenen 20er-Jahren”, in denen sich Kurt und Esther wiederbegegnen und erwachsen werden. Lania gibt in seinem Roman einen umfassenden Einblick in die Gemütslage im Deutschland der Zwischenkriegszeit und versucht zugleich aufzuzeigen, wie es zur Katastrophe des Zweiten Weltkrieges mit all seinen Verbrechen kam, ohne dass dabei die Schicksale der Menschen aus dem Blick geraten. Die Zerrissenheit des Einzelnen in der in Aufruhr geratenen Welt bildet vor den gekonnt zusammengefassten politischen Situationen der Zeit die Folie dieses Romans.
Der 1896 im ukrainischen Charkow geborene österreichisch-jüdische Journalist, Schriftsteller und Medienkünstler Leo Lania (eigentlich Lazar Herman) war einer der vielseitigsten und erfindungsreichsten Protagonisten der Zwischenkriegszeit. Er zählte zu den wichtigsten Exponenten der Neuen Sachlichkeit und galt als einer der innovativsten Protagonisten in der Verwendung und Verbindung unterschiedlichster Medien und Genres. Aufgewachsen im Wien der Jahrhundertwende wurde Lania durch seine Erfahrungen als Offizier der k.u.k.-Armee im Ersten Weltkrieg politisch radikalisiert und war zwischen 1919 und 1921 als Emissär und Redakteur der Roten Fahne eine Schlüsselfigur der kommunistischen Bewegung in Wien. 1921 gründete er in Berlin eine Nachrichtenagentur, um die republikanische Presse aus der Abhängigkeit von den staatlich kontrollierten bzw. dem Hugenberg-Konzern unterstehenden Nachrichtendiensten zu lösen. Zwei Jahre später schmuggelte er sich getarnt als italienischer Faschist in die Münchner Redaktion des Völkischen Beobachters ein, lernte dort Hitler und die damaligen Führer der Nazi-Bewegung kennen und recherchierte acht Tage lang unerkannt in diesem Milieu. Die Ergebnisse seiner Nachforschungen verarbeitete er in den Reportagebüchern “Die Totengräber Deutschlands” und “Der Hitler-Ludendorff-Prozess”, mit denen er seinen Ruf als einer der bedeutendsten Reporter der 1920er-Jahre begründete. Einige seiner Bücher erschienen im Malik-Verlag. Bertolt Brecht bat ihn 1931 das Drehbuch zur Dreigroschenoper zu schreiben. Lania reiste 1932 über Prag nach Österreich und schließlich nach Frankreich aus, wo er nach Kriegsausbruch mehrere Monate im Internierungslager Audierne inhaftiert wurde. 1940 gelang ihm die Flucht nach Südfrankreich. Schließlich emigrierte er über Spanien und Portugal in die USA. Seine Fluchterfahrungen verarbeitete er in dem 1941 erschienenen Buch The Darkest Hour. Mitte der 1950er-Jahre übersiedelte er dauerhaft nach München, wo er 1961 starb. Noch kurz vor seinem Tod schrieb er 1959 als Ghostwriter eine Autobiografie für Willy Brandt (“Der Weg nach Berlin”).
Mandelbaum –
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