Band 1: Richard Barham Middleton : “Das Geisterschiff”.
Das kleine Dörfchen Fairfield, an der Portsmouth Road zwischen dem Meer und London gelegen, erlebt nach einem Wirbelsturm etwas höchst Verwunderliches: Mitten im Rübenacker des Gastwirts – und zum beträchtlichen Ärger seiner Frau, die sich um die Ernte sorgt – ankert ein Piratenschiff. Es stellt sich aber bald heraus, dass die merkwürdigen Gestalten an Bord eher gutmütiger Natur sind. Wenn da nicht der exquisite Rum wäre, der auf dem Schiff großzügig ausgeschenkt wird. So kommen die alten und jungen Gespenster des Orts, mit denen man seit Generationen friedlich zusammengelebt hat, in Versuchung – zumal die Gespensterjugend über die Stränge schlägt. Es wird Zeit für den Dorfpfarrer einzugreifen.
Neben dieser Geschichte, mit der sich Richard Middleton in die Herzen seiner Leser schrieb, finden sich in diesem Band die ebenso eleganten wie psychologisch genauen Erzählungen, in denen es um die existenzielle Einsamkeit von Außenseitern geht. All diesen Geschichten – über einsame Kinder, Landstreicher, überforderte Polizisten oder Sargverkäufer – ist eine besondere Tonlage eigen, die neben der melancholischen Grundierung etwas Zauberisches hat.
Richard Barham Middleton, geboren 1882 in Staines, Middlesex, konnte, obwohl er die Zulassungsexamina von Oxford und Cambridge in den Fächern Mathematik, Physik und Englisch bestand, keine der dortigen Universitäten besuchen. Stattdessen wurde er in London Angestellter der Royal Assurance Exchange Corporation (1901-1907), wo er ähnlich unter seinem Berufsalltag litt wie Kafka in der Prager Arbeiter-Unfall-Versicherungsanstalt. Er entschied sich für das freie Künstlerleben, unter dürftigsten finanziellen Bedingungen. Er publizierte Gedichte und Erzählungen in verschiedenen Zeitungen, pflegte als Mitglied der New Bohemians, einer jungen Autorengruppe, Umgang mit G. K. Chesterton, Hilaire Belloc und Arthur Machen. 1911 beging er in Brüssel, wo er »wieder Abenteuer erleben wollte«, mit 29 Jahren Selbstmord. Erst posthum wurde sein Werk entdeckt.
Band 2: Robert Musil : “Der Fall Moosbrugger”.
Im Jahr 1910 brachte ein bereits zuvor wegen Mordes verurteilter Täter in Wien eine Frau auf brutalste Weise ums Leben. Der Mörder Christian Voigt ging – wie Jack the Ripper – in die Kriminalgeschichte und als Moosbrugger mit Robert Musil in die Literaturgeschichte ein. Musil, seit Anfang 1911 in Wien, verfolgte den Prozess mit großem Interesse und baute ihn in die Architektur seines komplexen Romans “Der Mann ohne Eigenschaften” ein. Die handelnden Figuren – Ulrich, Agathe, Clarisse – sehen in Moosbrugger einen Unverstandenen, dem man helfen müsse. Die geistig verwirrte Clarisse will in Moosbrugger, da er Zimmermann ist, sogar eine Reinkarnation des Erlösers erkennen. Der Mörder wird aus dem Gefängnis befreit und in einer als Versteck angemieteten Wohnung untergebracht, wo sich die Bedienstete Rachel um ihn kümmert. Hier nun entfaltet sich ein Kammerspiel am Rande des Schreckens, das ständig in die Katastrophe abzukippen droht. Das beklemmende Psychogramm Moosbruggers, das den Autor auf der Höhe seiner Kunst zeigt, ist nicht nur eine atemberaubende Lektüre, es eröffnet den Leser* innen auch einen faszinierenden Zugang zu Musils oft als unzugänglich empfundenen Roman.
Robert Musil, geboren 1880 in Klagenfurt, studierte in Wien und später Berlin Philosophie, Psychologie, Mathematik und Physik und promovierte zum Dr. phil. Auf eine Universitätslaufbahn verzichtete er allerdings, um freier Schriftsteller zu werden. Im Ersten Weltkrieg war Musil Landsturmhauptmann, Herausgeber der “Soldatenzeitung” und zuletzt im Kriegspressequartier. Nach dem Krieg arbeitete er kurz in verschiedenen Stellungen im öffentlichen Dienst in Wien, danach als freier Schriftsteller, Theaterkritiker und Essayist. Nach der Besetzung Österreichs durch die Nationalsozialisten emigrierte Musil nach Zürich. Als er 1942 im Exil in Genf starb, war er als Autor fast vergessen, und das Buch, dem er sich bald zwanzig Jahre lang bis zu seinem Tod gewidmet hatte, war unvollendet geblieben: “Der Mann ohne Eigenschaften” erschien 1930 ff. und zählt heute zu den bedeutendsten Romanen des 20. Jahrhunderts.
Band 3: Prosper Mérimée: “Tamango “.
Der Sklavenhandel um 1820 in ungewöhnlicher Perspektive: Der französische Kapitän Ledoux, ein tüchtiger Seebär mit einem dehnbaren Begriff von Menschlichkeit und großem Einfallsreichtum in Sachen Profitmaximierung, segelt trotz Sklavereiverbot zur senegalesischen Küste. Dort kauft er dem schwarzafrikanischen Menschenhändler Tamango 160 Gefangene ab, bestimmt für die Neue Welt. Weil er sich bei der ganzen Feilscherei hemmungslos betrunken hat, schenkt Tamango dem Kapitän obendrein eine seiner Frauen, der er besonders zugetan ist. Als er am nächsten Morgen erwacht und ihm klar wird, was er getan hat, verfolgt er das Schiff – mit schrecklichen Folgen für die Besatzung und die Gefangenen.
Gleich, ob sie auf hoher See oder in der korsischen Macchia spielen wie “Mateo Falcone”, in der gehobenen Gesellschaft des ländlichen Südfrankreich wie in der “Venus von Ille” oder unter Vampiren in Illyrien, Prosper Mérimée erzählt in seinen meisterlichen Novellen mit kühlem Herzen und in kristallklarer Sprache von großen Gefühlen, von Verrat, Mord, dem Tragischen und Unheimlichen.
Prosper Mérimée, geboren 1803 in Paris, Sohn eines Kunstprofessors und einer Porträtmalerin, wuchs in begüterten Verhältnissen auf und besuchte das renommierte Lycée Napoléon (heute Lycée Henri IV). Danach studierte er Rechtswissenschaften, aber interessierte sich ebenso für Philologie, Geschichte und Archäologie. Nach schriftstellerischen Anfängen und ausgedehnten Reisen war Mérimée seit 1834 Generalinspekteur der historischen Baudenkmäler Frankreichs (u.a. sorgte er für die Erhaltung der Festungsstadt von Carcassonne). Unter dem Zweiten Kaiserreich wurde er Senator; dank seiner langjährigen Freundschaft mit der Kaiserin Eugénie hatte er Einfluss bei Hof unter Napoleon III. Zu literarischer Berühmtheit gelangte er mit seinen realistischen Novellen, die bis heute als unübertroffen gelten. In seinen letzten Jahren machte er sich als Vermittler der zeitgenössischen russischen Literatur in Frankreich verdient, so übersetzte er Puschkin, Gogol und Turgenjew. Mérimée starb 1870 in Cannes.
Jeder Band in feines Leinen gebunden – Euro 18,00.